Umgang mit Bewerbungsdossiers

Die Vorselektion stellt für Betriebe eine Herausforderung dar. Ein grosser Stapel an Dossiers und Zeitdruck legen es nahe, nach ein paar einfachen Kriterien schon eine grosse Zahl von Bewerber/innen auszusortieren. Hierin liegt die Gefahr, dass gute Bewerbungen – besonders von Jugendlichen ausländischer Herkunft – wegen Kleinigkeiten gar nicht zum Zug kommen können. Wer die geeignetsten Jugendlichen erfassen will, geht darum systematisch vor und vermeidet falsche oder zu diffuse Kriterien. Zudem dürfen der Schultyp (Sekundarschule A, B, C; Sekundarschule/Realschule; usw.), aber auch gängige Leistungstests nicht überbewertet werden. Im Mittelpunkt sollten Motivation und Interesse der Bewerbenden stehen.

So laden Sie die richtigen Jugendlichen ein:

  • Planen Sie genügend Zeit für die Dossierdurchsicht ein. Am besten treffen Sie eine Vorauswahl nicht alleine, sondern mit jemandem, der den Betrieb und den Beruf gut kennt.
  • Schon bei der Ausschreibung haben Sie überlegt, welchen Anforderungen der Lehrling genügen muss. Halten Sie nun, wenn möglich schriftlich, fest, welche Kriterien Ihnen wichtig sind und wie diese aus den Bewerbungsdossiers beurteilt werden können. Auch dies machen Sie am besten mit anderen Personen zusammen.
  • Sie sollten nur Kriterien verwenden, die etwas mit den Kompetenzen der Jugendlichen zu tun haben. Als Hilfsmittel können Sie auf bestehende Listen zurückgreifen und diese ergänzen: www.hb.dbk.ch
  • Wichtig ist in jedem Fall die offene Auseinandersetzung mit allen Bewerbungen. Wenden Sie überall die gleichen Massstäbe an.
  • Achtung: Familienverhältnisse, Nationalität/Herkunft, Geschlecht, Alter, Beruf der Eltern oder der Wohnort haben nichts mit den Kompetenzen und Leistungspotenzialen der Jugendlichen zu tun! Diese Kriterien verkleinern die Wahrscheinlichkeit, den/die «Beste/n» für den Betrieb zu finden. Sie sollten bei der Vorselektion keine Rolle spielen.
  • Wenn Sie die für Sie wichtigen Kriterien zusammengestellt haben, sollten Sie eine Gewichtung vornehmen. Was für den Betrieb besonders wichtig erscheint, bekommt ein hohes Gewicht, z. B. eine «10». Was weniger wichtig ist für den Betrieb, bekommt ein tiefes Gewicht, z. B. eine «1» Erst dann sollten Sie mit der Beurteilung der einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten beginnen (z. B. mit Noten für jedes Kriterium von 1-6).
  • Eine gute Entscheidhilfe bei der Beurteilung und beim Vergleich verschiedener Kandidat/innen in der Vorselektion und Selektion bietet die Entscheidungsmatrix.

  • Ein geeignetes Hilfsmittel für eine faire Vorselektion sind anonymisierte Bewerbungsverfahren. Sie können die Dossiers selber anonymisieren oder bestehende Online-Bewerbungsplattformen benutzen. Hier können Sie die Profile von Lehrstellensuchenden ohne Namen, Nationalität und Geschlecht einsehen und die Jugendlichen direkt kontaktieren. www.we-are-ready.ch
  • Oft sagt auch der Schulabschluss oder der besuchte Schultyp (Sekundarschule A, B oder C bzw. Sekundarschule oder Realschule) nur wenig über die Eignung und Leistungspotenziale der Jugendlichen aus.
  • Geben Sie deshalb der Motivation und dem Interesse der Jugendlichen das nötige Gewicht. So deuten etwa bereits absolvierte Schnupperlehren/Schnuppertage oder Arbeitseinsätze auf ein echtes Interesse für Beruf und Arbeitswelt hin. Achtung: Wer schon Schnupperlehren in verschiedensten Berufen absolviert hat, zeigt, dass er die Berufswahl ernst genommen hat. Das sollte nicht als fehlendes Interesse gegenüber dem nun angestrebten Beruf ausgelegt werden.
  • Meistens ist es schwierig, die wichtigen Kriterien nur aus den Bewerbungsunterlagen zu beurteilen. In jedem Fall besser als nur die Bewertung der schriftlichen Unterlagen ist der direkte Kontakt mit den Jugendlichen (Infotage und Schnupperlehre).
  • Allgemeine Eignungstests (Multicheck, Basic Check etc.) sind gebräuchlich, werden aber oft überbewertet. Sie sind nur ein kleiner Mosaikstein im Verfahren und nicht immer notwendig. Auch hier gilt: Besser als diese Tests ist der direkte Kontakt mit den Bewerber/innen. Wenn Sie zusätzliche Informationen brauchen, können allenfalls branchenbezogene Tests sinnvoll sein. Erkundigen Sie sich hierfür bei ihrem Berufs- oder Branchenverband.
  • Lassen Sie sich bei Unsicherheiten beim Einordnen von Informationen, z. B. mit Zeugnissen, Diplomen, mit der Herkunft oder mit dem Aufenthaltsstatus, von fachkundigen Stellen helfen (Anlaufstellen bei Fragen).



«Ich bin hartnäckig geblieben und habe mich zu meinem Traumjob durchgekämpft.»
Katerina Velikikeska, Medizinische Praxisassistentin, 1. Lehrjahr

«Als ich die Zusage erhalten habe, habe ich mich sofort für einen einmonatigen Deutschkurs angemeldet und dafür auf die Ferien im Kosovo verzichtet.»
Selami Tahiri, Detailhandel, 1. Lehrjahr

«Ich spreche perfekt Englisch und Deutsch und verstehe Philippinisch.»
Audrey Moreno, Hochbauzeichnerin, 1. Lehrjahr

«Bei den Bewerbungen hatte ich bei einigen Firmen das Gefühl, wegen meines Namens eine Zurückhaltung zu spüren.»
Maja Hrkalović, KV, 1. Lehrjahr